Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen der Regierungskoalition zum Infektionsschutzgesetz vom 24.8.2022 (ausgehend von den „Formulierungshilfen für Änderungsanträge der Fraktionen der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP“)
Als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Fachgebieten der Natur-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften beobachten wir mit tiefer Sorge, dass die politischen Entscheidungsträger in Bund und Ländern im Umgang mit der Corona-Infektion erneut eine Stigmatisierung von Ungeimpften und sogar von Personen ohne aktuelle Auffrischungsimpfung in Kauf nehmen statt auf effektiven Infektionsschutz und eine nachhaltige Sicherung der intensivmedizinischen Versorgung sowie der kritischen Infrastruktur zu setzen. Eine diskriminierende Behandlung nicht aktuell Geimpfter etwa bei der Maskenpflicht (nach § 28b II IfSG i.d.F. der „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung v. 24.8.2022) erachten wir für unvereinbar mit den zentralen Grundwerten unseres demokratischen Rechtsstaates und zudem für ungeeignet, ja sogar kontraproduktiv beim Infektionsschutz. Ferner erachten wir zahlreiche der Maßnahmen, die aufgrund des Gesetzesvorschlags Bundesländer für Zwecke des Infektionsschutzes ergreifen können, für unverhältnismäßig und zugleich ineffizient. Folgende Punkte heben wir gesondert hervor:
1. Die bisher zum Einsatz gekommenen gentechnikbasierten Impfungen bleiben immer noch den Beweis schuldig, dass sie die Übertragung des Virus verhindern.1 Selbst dass sie vor schweren Verläufen schützen oder auch die Zahl der Todesfälle begrenzen könnten, wurde eher versprochen bzw. behauptet, als dass es dafür gesicherte Evidenz gäbe; sogar auf das Gegenteil deuten einige Entwicklungen im Pandemiegeschehen nach den Impfkampagnen hin. Die Evidenz für Nebenwirkungen, auch gravierende bis hin zu Todesfällen, hat in den letzten Monaten besorgniserregend zugenommen.2 All dieses deutet an, dass eher eine Überprüfung oder gar Beendigung als eine Intensivierung der im Übrigen finanziell hoch aufwändigen Impfkampagnen nötig erscheint, und stellt – neben den entscheidenden menschenrechtlichen Tatbeständen – einen weiteren Grund dafür dar, dass auf keinen Fall irgendjemand direkt oder indirekt zu einer Impfung gegen Covid 19 genötigt werden darf.
2. Da jegliche Impfnötigung im Zusammenhang mit Covid 19 als gänzlich illegitim zu gelten hat, dürfen auch privatrechtlich nirgendwo Impfnachweise eingefordert werden, weder von Arbeitgebern noch von Dienstleistern, etwa in der Gastronomie. Es würde damit eine Atmosphäre der öffentlichen Zurschaustellung aller nicht frisch Geimpften sowie der Diskriminierung und Kontrolle geschaffen, die das Zusammenleben in Deutschland tiefgreifend vergiften würde und mit einem menschenwürdigen Miteinander nichts mehr zu tun hätte.
3. Wo Grundrechtseinschränkungen um des Infektionsschutzes willen als notwendig gelten können (etwa Testpflicht in Pflegeeinrichtungen), dürfen diese aus drei Gründen auf keinen Fall ausschließlich Ungeimpfte oder Geimpfte ohne Auffrischung betreffen:
a) Angesichts der zweifelhaften Wirksamkeit von Impfungen läge eine eklatante Diskriminierung vor.
b) Leben und Gesundheit der „vulnerablen Personengruppen“ würden auf fahrlässige Weise gefährdet, wenn Geimpfte, da von Schutzmaßnahmen nicht betroffen, weitgehend ungehindert eine Corona-Infektion verbreiten könnten.3
c) Verdiente Fachkräfte würden abgeschreckt, der Arbeitskräftemangel in den betroffenen Bereichen weiter verstärkt.
4. Grundrechtsbeschränkende Maßnahmen zum Zwecke des Infektionsschutzes müssen in einer öffentlichen, vorurteilsarmen und unvermachteten Debatte regelmäßig auf ihre Effizienz und Verhältnismäßigkeit hin überprüft und im Zweifelsfall ausgesetzt werden. Der Bericht des Sachverständigenausschusses nach § 5 IX IfSG vom Juni 2022 hat konstatiert, dass „eine ausreichende und stringente begleitende Datenerhebung, die notwendig gewesen wäre, um die Evaluierung einzelner Maßnahmen oder Maßnahmenpakete zu ermöglichen“ nicht verfügbar gewesen sei. Es sind aber die Erfahrungen anderer Länder einzubeziehen. In sehr vielen Ländern fehlt inzwischen etwa eine Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr, ohne dass diese schlechter dastünden als Deutschland im Pandemiegeschehen.4 Äußerst fragwürdig erscheint eine bedingungslose Maskenpflicht im Fernverkehr5, von der in umliegenden Ländern völlig abgesehen wird, auch in Flugzeugen. Als ebenso fragwürdig hat die Option einer Maskenpflicht an Schulen zu gelten;6 wir können uns eine weitere Behinderung des Lernerfolgs unserer Kinder und Jugendlichen nicht mehr leisten.
5. Die immer deutlicher zutage tretenden Nebenwirkungen der Covid 19-Impfungen müssen endlich systematisch erfasst und öffentlich diskutiert werden; allen Betroffenen muss geholfen werden. Haftungsausschlüsse für Impfstoffproduzenten darf es nicht mehr geben.
6. Eine Debatte zur Coronapolitik muss möglich sein, ohne dass es nochmals zu öffentlicher Diffamierung von Ungeimpften / Unaufgefrischten kommt. Zahlreiche Ungeimpfte haben ausweislich belastbarer Studien zur Eingrenzung des Pandemiegeschehens durch verstärkten Selbstschutz mehr beigetragen als Geimpfte, die ihrer Impfung guten Glaubens mehr an Schutzwirkung zugetraut haben, als ihr tatsächlich eignete.7 Politische Äußerungen, die eine Kriminalisierung von Ungeimpften implizieren oder gar einfordern (für die letzten zwei Jahre hinreichend dokumentiert etwa bei #Wirhabenmitgemacht), sollten in Zukunft als Manifestationen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gewertet werden.
7. Es verwundert nach mittlerweile drei Jahren Pandemiegeschehen, dass die Politik für ihre Maßnahmen immer noch auf eine angeblich an ihre Belastungsgrenzen stoßende Intensivmedizin referiert. Was ist geleistet worden, um diesen Bereich krisenfester zu gestalten? Eine erste Maßnahme zur Verbesserung der Situation, die dringend ansteht, ist eine sofortige und ausnahmsfreie Rücknahme der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Ein geimpfter Pfleger, der infiziert und nicht getestet ist, wird Corona eher übertragen als ein ungeimpfter Pfleger, der sich einem Test unterzogen hat.
Wir bitten daher die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, bei der anstehenden Abstimmung über die Änderung des IfSG gegen die Vorschläge der Bundesregierung entsprechend den „Formulierungshilfen“ vom 24.8.2022 zu stimmen und sich stattdessen einzusetzen
– für die sofortige Beendigung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht
– für einen Infektionsschutz auf freiwilliger Basis. Jeder kann sich so oft impfen lassen, wie er mag, und jeder ist frei, eine Atemmaske zu tragen, wann und wo er möchte.
Prof. Kerstin Behnke Prof. Dr. Ralf Bergmann Prof. Dr. Klaus Buchenau Prof. Dr. Paul Cullen Associate Prof. Dr. Jan Dochhorn Prof. Dr. Ole Döring Prof. Dr. Gerald Dyker Prof. Dr. Michael Esfeld Prof. Dr. Marc Forster Dr. Johann Frahm Prof. Dr. Kathrin Gierhake Prof. Dr. Frank Göttmann Prof. Dr. Ulrike Guérot Prof. Dr. Lothar Harzheim Prof. Dr. Martina Hentschel Prof. Dr. Sven Hildebrandt Prof. Dr. Detlef Hiller Prof. Dr. Georg Hörmann Dr. Agnes Imhof Dr. René Kegelmann Dr. Sandra Kostner Prof. Dr. Boris Kotchoubey Prof. Dr. Klaus Kroy |
PD Dr. Axel Bernd Kunze PD Dr. Stefan Luft PD Dr. Monika Melters Prof. Dr. Klaus Morawetz Prof. Dr. Ralph Neuhäuser Prof. Dr.-Ing. Konrad Reif Prof. Dr. Günter Reiner Prof. Dr. Matthias Reitzner Prof. Dr. Markus Riedenauer Prof. Dr. Andreas Schnepf Prof. Dr. Wolfram Schüffel Dr. Jens Schwachtje Prof. Dr. Harald Schwaetzer Prof. Dr. Henrieke Stahl Prof. Dr. Wolfgang Stölzle Prof. Dr. Lutz Stührenberg Prof. Dr. Henrik Ullrich Prof. Dr. Tobias Unruh PD Dr. Reinhard Weber Dr. Christine Wehrstedt Prof. Dr. Christin Werner Prof. Dr. Martin Winkler Prof. Dr. Christina Zenk |
1 Vgl. Reynolds et al, Immune boosting by B.1.1.529 (Omicron) depends on previous SARS-CoV-2 exposure, Science 377, 275 (2022) 15 July 2022, https://www.science.org/doi/10.1126/science.abq1841; Singanayagam et al, Community transmission and viral load kinetics of the SARS-CoV-2 delta (B.1.617.2) variant in vaccinated and unvaccinated individuals in the UK: a prospective, longitudinal, cohort study www.thelancet.com/infection Published online October 28, 2021, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00648-4, corrected on November 2, 2021, https://doi.org/10.1016/S1473-3099(21)00690-3.
2 Vgl. z.B. Arbeitsgruppe Impfstoffe Aufklärung, Expertcouncil.one e.V. (i. G.), Sammlung erster Ergebnisse, 6.7.2022, https://www.aerzte-fuer-aufklaerung.de/sammlung-erster-ergebnisse-bei-der-mikroskopischen-untersuchung-der-covid-impfungen/; Sönnichsen et al., Indikation, Kontraindikationen und Nutzen Schaden Verhältnis der COVID Impfung: Eine Zusammenfassung der wichtigsten Studienevidenz, 26.7.2022, https://www.mwgfd.de/2022/08/indikation-kontraindikationen-und-nutzen-schaden-verhaeltnis-der-covid-impfung/; Cassagne et al., Étude critique du rapport de l’OPECST (n°5263 Assemblée nationale et n° 659 Sénat) sur les effets indésirables des vaccins, https://reinfocovid.fr/wp-content/uploads/2022/07/commentaire_pharmacovigilance.pdf; Yamamoto, Adverse effects of COVID‑19 vaccines and measures to prevent them, Virology Journal (2022) 19:100, https://doi.org/10.1186/s12985-022-01831-0; Furer et al, Herpes zoster following BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccination in patients with autoimmune inflammatory rheumatic diseases: a case series, Rheumatology 2021;60:SI90–SI95, doi:10.1093/rheumatology/keab345; vgl. auch Kuhbandner & Reitzner, Excess mortality in Germany 2020-2022, 10.8.2022, https://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.27319.19365.
3 Die Viruslast ist nicht gänzlich eliminiert, sondern nur zeitweise reduziert, s. die Studien in Fn. 1.
4 Vgl. z.B. https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/ (aktualisiert am 2.9.2022). Danach gibt es in Deutschland derzeit in der 7 Tage-Inzidenz 234,4 Neuinfektionen, während das Vereinigte Königreich und Frankreich, in denen keine Maskenpflicht mehr gilt, eine Inzidenz von 90,7 bzw. von 176,9 aufweisen. Das für seine zurückhaltende Corona-Politik bekannte Schweden kommt auf eine Inzidenz von 45,2. Nach Berechnungen der. technischen Beratungsgruppe der WHO-COVID-19-Mortalitätsbewertungsgruppe betrug übrigens die Übersterblichkeit in den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021 in Deutschland im Mittel 73,013 mit einem 95%-Kredibilitätsintervall von 59,565-84,583 pro 100.000 Einwohner, in Schweden 66,333 (57,567-74,938) (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/134232/Uebersterblichkeit-WHO-Autoren-korrigieren-Daten-fuer-Deutschland-und-Schweden, Abruf v. 3.9.2022, m.w. Nachw.).
5 Vgl. Gravert et al., Update on SARS-CoV-2 Infection Risks in Long-distance Trains, Deutsche Bahn AG, September 2020, https://doi.org/10.13140/RG.2.2.14207.64165.
6 Vgl. Coma et al. Unravelling the role of the mandatory use of face covering masks for the control of SARS-CoV-2 in schools: a quasi-experimental study nested in a population-based cohort in Catalonia (Spain), Arch Dis Child 2022;0:1–6, https://doi.org/10.1136/archdischild-2022-324172 .
7 Vgl. Ioannidis, Benefit of COVID-19 vaccination accounting for potential risk compensation, npj Vaccines vol. 6, 99 (2021), npj Vaccines (2021) 6:99 ; https://doi.org/10.1038/s41541-021-00362-z; Chaguza et al., Rapid emergence of SARS-CoV-2 Omicron variant is associated with an infection advantage over Delta in vaccinated persons, Med 3, 325–334, May 13, 2022, https://doi.org/10.1016/j.medj.2022.03.010 .